Ist ein Arm nur eingeschränkt beweglich, besteht die Gefahr, dass nur noch der gesunde Arm benutzt wird. Die Folge: Der „kranke“ Arm verkümmert immer mehr. Mit der CIMT-Methode kann dem auf spielerische Weise entgegengewirkt werden. Physiotherapeutin Maria Gabriele Galoppi aus dem Ambulatorium Strebersdorf berichtet über die dort entwickelte „CIMT for kids“-Version. Die kleinen Köchinnen und Köche haben heute keine leichte Aufgabe: Sie müssen einhändig ihr Essen zubereiten. Jeweils ein Arm ist mit Fatschen und bunten Tüchern vor dem Körper straff fixiert und kann nicht eingesetzt werden. Das ist alles andere als einfach. Den fröhlichen Gesichtern ist aber anzusehen, dass hier keine sinnlose Quälerei stattfindet.
Die Szene spielt sich in der Übungsküche des VKKJ-Ambulatoriums Strebersdorf ab. Seit einigen Jahren bieten wir für Kinder mit Hemiparese (Bewegungsstörung vom Typ Unilaterale Spastik, armbetont) fünftägige Therapielager nach der CIMT-Methode an.
CIMT ist die Abkürzung für Constraint-Induced Movement Therapie. Diese wurde vom US-Neurologen Edward Taub entwickelt. Sie geht davon aus, dass Wahrnehmungsdefizite der betroffenen Körperhälfte sowie mühevolle und teils vergebliche Bewegungsversuche mit dem bewegungsgestörten Arm dazu führen, dass dieser im Alltag kaum oder gar nicht mehr eingesetzt wird – trotz vorhandener Restmotorik.
Therapielager im Sommer
Um diesem „gelernten Nichtgebrauch“ entgegenzuwirken, wird bei der CIMT-Methode der „gesunde“ Arm vorübergehend durch Wegbinden außer Kraft gesetzt und mit dem betroffenen Arm intensiv sensomotorisch trainiert. Im Ambulatorium Strebersdorf haben wir eine spezielle Version für Kinder und Jugendliche entwickelt. In jeweils fünftägigen Therapielagern, die jeweils im Sommer stattfinden, üben wir intensiv mit den jungen Teilnehmenden. Spiel und Freude am Tun stehen dabei im Zentrum.
Die Essenszeit in Strebersdorf ist vorbei, die Mädchen und Buben laufen in den großen Bewegungsraum zur zweiten CIMT-Einheit des Tages. Eineinhalb Stunden lang werden sie an verschiedenen Stationen probieren und erleben, was ihr scheinbar unbrauchbarer Arm alles leisten kann. Sie stützen, stemmen, schieben, greifen, halten, schütten, klopfen, werfen, sortieren – und gewinnen dabei neues Vertrauen in ihren Körper.
„CIMT for kids“ ab 10 Jahren
CIMT ist anstrengend. Bei ersten Selbstversuchen waren wir Therapeutinnen davon überrascht, wie intensiv sich diese Therapie auf den ganzen Körper auswirkt. Deshalb laden wir Kinder erst ab einem Alter von ca. zehn Jahren ein, wenn sie diese Herausforderung auch wirklich annehmen können und wollen.
Wir haben uns ein abwechslungsreiches Repertoire zurechtgelegt. Ernstes Training gepaart mit Freude an der wiederentdeckten Bewegung sollen im Gehirn der jungen PatientInnen neue neuronale Verbindungen entstehen lassen. Die Idee zu unserer Strebersdorfer CIMT for kids-Version kam uns vor Jahren nach einer Fortbildung zum Thema Schlaganfall.
Messbare Fortschritte
Die verschiedenen CIMT-Stationen sind auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmt. Die Aufgaben werden fortlaufend adaptiert, um Mobilität, Sensibilität und Körperwahrnehmung, Groß- und Feinmotorik zu trainieren. Es gibt aber auch gleichbleibende und klar dokumentierte Evaluierungsstationen, um Fortschritte genau messen und sie den PatientInnen vor Augen führen zu können. Zum Beispiel erheben wir: Wie viele Erbsen kann ein Kind am ersten Tag mit seiner paretischen (gelähmten oder geschwächten) Hand in eine Kanne schütten – und wie viele sind es am letzten Tag?
Imagination mittels Spiegeltherapie
Eine große Konzentrationsleistung wird den Kindern bei der im Ambulatorium Strebersdorf zusätzlich durchgeführten Spiegeltherapie abverlangt: In reizarmer Umgebung sitzen die Kinder nahe an einem Spezialspiegel, die „gesunde“ Hand davor, die paretische nicht sichtbar dahinter. Jetzt bewegen sie die nicht betroffene Hand, das Spiegelbild erweckt den Eindruck, als wäre es die paretische, die diese Bewegungen mühelos ausführt. Genau das soll vom Gehirn abgespeichert werden. Es handelt sich um Imagination wie im Spitzensport.
Neben den herausfordernden CIMT-Trainingsstationen, die in der Gruppe natürlich leichter fallen, gibt es für die Mädchen und Buben auch noch weitere Möglichkeiten, sich sowohl einhändig als auch zweihändig zu versuchen: beim gemeinsamen Kochen, bei Alltagsverrichtungen, bei der Körperhygiene. Aber auch beim aufregenden Besuch eines Bauernhofs, wo Tiere gestreichelt, gestriegelt, gefüttert und herumgeführt werden dürfen, teilweise ebenfalls im CIMT-Modus, also mit weggebundenem Arm.
Die Verbesserungen, die Freude und der Eifer der Kinder haben uns Therapeutinnen überzeugt, nach dieser Methode weiterzuarbeiten und die CIMT-Intensivwoche jeweils im Sommer anzubieten.
Neue Erfahrung, mehr Selbstbewusstsein
Haben die Kinder erst einmal gespürt, was trotzdem alles möglich ist, setzen sie ihre beeinträchtigte Extremität auch bei den zweihändigen Übungen und Aufgabenstellungen vermehrt und bewusster ein – etwa wenn es darum geht, auf einem Rollbrett Slalom zu fahren oder eine Kletterwand zu erklimmen. Denn Spaß muss bei so einer Intensivwoche auch dabei sein.
Eine cerebrale Bewegungsstörung lässt sich nicht wegtherapieren. Die CIMT-Methode hilft aber dabei, das Potenzial des eingeschränkten Armes/der Hand zu erkunden, neu zu erfahren und so im Alltag wieder selbstbewusst einzusetzen.