Prim.a. Dr.in. Lenka Stejfova ist Kinderfachärztin und Ärztliche Leiterin im Ambulatorium Strebersdorf, Daniela Nahlik arbeitet als Ergotherapeutin in dieser Einrichtung der VKKJ. Gemeinsam mit ihren rund 40 Kolleginnen und Kollegen managen sie seit mehr als einem Jahr den Covid-19-Alltag. Für den „VKKJ Aktiv-Blog“ berichten sie über ihre Erfahrungen während der Pandemie.
Wie erleben Sie diese herausfordernde Zeit?
Dr.in Stejfova: Es ist ein bergauf und bergab. Es verlangt hohe Flexibilität, aber auch Fingerspitzengefühl, sowohl bei der Arbeit im Team als auch im Umgang mit den PatientInnen. Besonders zu Beginn waren alle verunsichert.
Im ersten Lockdown hatten wir zudem für sechs Wochen geschlossen. Doch die Erfahrungen zeigten uns, dass eine solche Unterbrechung für alle Beteiligten (PatientInnen wie MitarbeiterInnen) sehr schwierig war. Daher waren wir uns einig, dass sich das nicht wiederholen darf. Wir haben sehr rasch Maßnahmen getroffen, um die Familien durchgehend versorgen zu können. Basis ist unser Präventionskonzept, das wir laufend weiterentwickeln.
Daniela Nahlik: Gerade anfangs war es eine sehr große Herausforderung, weil wir ja nicht wussten, was das für ein Virus war. Von unserer Zentrale kamen sehr schnell Handlungsanweisungen, wie Abstandsregeln, Hände waschen und Mundschutz. Dann kamen weitere Schutzmaßnahmen wie Desinfektionsspender, Abstandsmarkierungen und Plexiglastrennwände hinzu.
Ich erinnere mich auch noch, wie wir nach dem ersten Lockdown die Eltern anriefen, um ihnen Verhaltensregeln wie Fiebermessen und Hände desinfizieren zu geben. Das war wichtig, um den Betrieb wieder zum Laufen zu bringen.
Wie nehmen die Kinder diese Veränderungen auf, zum Beispiel wenn Sie sie mit der Maske vor Ihrem Gesicht behandeln?
Dr.in Stejfova: Wir waren alle total überrascht, wie flexibel die Kinder sind, meinem Eindruck nach viel flexibler als die Erwachsenen. Wir haben uns große Sorgen gemacht, wie es sein wird, wenn die Kinder wegen der Masken unseren Gesichtsausdruck nicht sehen. Aber die meisten nehmen das sehr gut an.
Sogar bei Babys ist es möglich, über die Augen einen sehr schönen Blickkontakt und damit eine soziale Interaktion zu bekommen. Das konnte ich mir vorher überhaupt nicht vorstellen.
Dort, wo die Mimik eine große Rolle spielt, z.B. in der Logopädie, haben wir Lösungen gefunden. Die Logopädin sitzt entweder hinter einer Plexiglasscheibe oder sie trägt eine FFP2-Maske mit einem Plexifenster. Auch das gibt es inzwischen.
Wie sieht der Covid-19-Alltag in der therapeutischen Praxis aus?
Daniela Nahlik: Ich habe eine Routine entwickelt. Wenn das Kind den Therapieraum verlässt, öffne ich das Fenster, nehme meine Maske ab, desinfiziere und dokumentiere, was gemacht wurde. Dann räume ich neues Spielzeug her, setze die Maske wieder auf und widme mich dem nächsten Kind. Mittlerweile ist mir dieser Ablauf schon in Fleisch und Blut übergegangen. Das regelmäßige Lüften werde ich beibehalten, selbst wenn es einmal nicht mehr zwingend notwendig sein sollte.
Was unseren Alltag wirklich schwieriger macht, ist nicht die Arbeit an sich, sondern das Fehlen der persönlichen Ebene. Wir sind ein eingeschworenes Team, klopfen uns gegenseitig auf die Schulter, um uns zu ermutigen, und feiern auch manchmal zusammen. Das fällt jetzt alles weg, und ich freue mich, wenn das wieder möglich ist.
Was hat sich heute im Vergleich zum Beginn der Corona-Pandemie verändert?
Dr.in Stejfova: Ein enormer Unterschied ist, dass wir im Ambulatorium jetzt für alle Mitarbeitenden die Antigentests machen können. Nicht nur routinemäßig, sondern auch, wenn ein konkreter Anlassfall vorliegt, beispielsweise jemand im Team über Kopfschmerzen klagt.
Für die Zukunft gilt: Impfen und Testen, das ist die einzige Strategie, die zielführend ist. Was ich mir wünsche ist, dass dem psychosozialen Angebot mehr Augenmerk geschenkt wird. Es müssen verstärkt Beratung und Begleitung für die Familien zur Verfügung stehen
Was war Ihr emotionalster Moment?
Dr.in Stejfova: Ich hatte ein Baby auf dem Untersuchungstisch liegen und die Eltern waren sehr besorgt. Plötzlich hat mich das Baby trotz meiner Maske angelächelt. Es hatte überhaupt keine Angst. Für die Eltern, aber auch für mich, war das ein sehr schöner, befreiender Moment.
Daniela Nahlik: Eines Tages saß mir ein autistisches Kind bei der Therapie gegenüber. Es hat mich seit einem Jahr nur mit Maske gesehen, und es war sehr schwer, mit ihm Blickkontakt aufzunehmen. An diesem Tag schaut es mich plötzlich ganz klar und wach an. Es beugt sich zu mir, berührt mit seiner meine Stirn für zwei Sekunden und beginnt aus tiefster Seele herzlich zu lachen und sich zu freuen. Das war ein so schöner Moment und ich habe gesehen, dass die Maske eigentlich keine Rolle spielt, wenn es um Emotionen geht.