Sprache ist Vermittler und bietet Orientierung. In der Kommunikation mit besonderen Kindern und Jugendlichen sowie deren Angehörigen kommt dem Verstehen und Verständnis eine hohe Bedeutung für den Therapieerfolg zu. Dabei geht es nicht nur um die Überwindung sprachlicher Barrieren, sondern auch um den Umgang mit interkulturellen Aspekten. Ein Erfahrungsbericht aus dem Ambulatorium Fernkorngasse der VKKJ:

Über 46% der BewohnerInnen von Wien Favoriten haben Migrationshintergrund. Der Bezirk weist damit eine der höchsten Einwanderungsquoten Wiens auf. Dementsprechend hoch ist auch der Anteil an PatientInnen mit nicht deutscher Muttersprache im Ambulatorium Fernkorngasse der VKKJ im 10. Wiener Gemeindebezirk. Laut dessen Leiter Primar Dr. Klaus Vavrik sind „Verstehbarkeit und Kontrollierbarkeit der ,persönlichen Welt´ zentrale Grundlagen für psychisches Wohlbefinden und geben Sicherheit in den Grundfesten der eigenen Existenz. Sprache ist hierfür der Vermittler und eröffnet die Chance auf diese dringend notwendige Orientierung.“

Besonders im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsverzögerungen und Behinderungen ist daher Feingefühl gefordert. Dies gilt nicht nur für die PatientInnen, sondern auch für deren Angehörige. Und es betrifft nicht allein die Sprache, sondern auch interkulturelle Aspekte. Außerdem können neben der sprachlichen Barriere weitere Hürden in der Kommunikation wie z. B. Gehörlosigkeit, kognitive oder psychische Einschränkungen im Verstehen hinzukommen. Folge davon sind Mehrfach-Barrieren, beispielsweise durch mangelnden Zugang zu Therapieangeboten, zu Wissen und zu allgemeinen Lebensgrundlagen.

Modellprojekt

Verstehen und Verständnis zu ermöglichen und zu fördern, ist daher eine wesentliche Aufgabe sämtlicher Einrichtungen der VKKJ. Hierbei kann auf die Erfahrungen im Ambulatorium Fernkorngasse zurückgegriffen werden, wo dieses Thema aufgrund der Rahmenbedingungen mit besonders hoher Sensibilität gehandhabt wird. Am besten bewährt hat sich dabei die „Interkulturelle Assistenz“. Diese ist aus dem Modellprojekt „wibet – wir begleiten Therapie“ hervorgegangen und aktuell die am stärksten genützte Form der Sprachmittlung in dem Ambulatorium.

Muttersprachliche TutorInnen: Das spricht für deren Einsatz

In diesem Modell werden muttersprachliche Tutorinnen und Tutoren eingesetzt. Wir erläutern hier die wichtigsten Gründe, warum diese Form der Sprachmittlung besonders gute Erfolge erzielt:

1. Muttersprachliche TutorInnen besitzen nicht nur die erforderlichen Sprachkenntnisse. Sie bringen auch das nötige kulturelle und soziale Verständnis für die Lebensumwelten der PatientInnen und deren Familien mit Migrationshintergrund mit.

2. Die in diesem Modellprojekt eingesetzten TutorInnen haben eine Weiterbildung zu Grundlagen der Kommunikation, zum Gesundheitswesen allgemein sowie zu spezifischen Gesundheitsthemen der VKKJ erhalten.

3. Die TutorInnen stammen großteils aus derselben Kultur und Community wie die im Ambulatorium Fernkorngasse betreuten Familien und werden daher als SprachmittlerInnen– bis hin zur Rolle als partielle Vertrauenspersonen – sehr gut angenommen.

4. Familienangehörigen als Dolmetscher fehlt aufgrund der persönlichen Betroffenheit oft die nötige Distanz beim Übersetzen. Bei TutorInnen kann von einer ausreichenden Objektivität ausgegangen werden. Darüber hinaus verfügen sie aufgrund ihrer Ausbildung über das nötige fachliche Grundwissen.

5. Im Vergleich zu persönlichen oder technischen Dolmetscherdiensten ist die Rollendefinition der TutorInnen weiter gefasst. Im Auftrag des Ambulatoriums können sie die Familien an ihrem Wohnsitz besuchen, externe Termine bei Beratungsstellen oder anderen Einrichtungen für sie organisieren und sie auch dorthin begleiten.

„Durch diese erweiterte Rollendefinition können viele externe Interventionen, wie zum Beispiel Behandlungen, überhaupt erst gelingen oder deutlich rascher umgesetzt werden, als würde man die Familien bei der Bewältigung einzelner Aufgaben auf sich allein gestellt lassen“, so Kinderfacharzt Dr. Vavrik.

Die TutorInnen werden vom gemeinnützigen Verein beratungsgruppe.at weitergebildet und bereitgestellt. Die VKKJ kann auf diese Dienstleistung zurückgreifen und die muttersprachlichen TutorInnen dort einsetzen, wo deren Unterstützung erforderlich ist.

 Ambulatorium Fernkorngasse

 

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