Am 1. November 1981 wurde das Ambulatorium Wiener Neustadt in der Ungargasse 31 eröffnet. Aus diesem Anlass blicken wir gemeinsam mit Prim. Dr. Markus Hartmann und Musiktherapeutin Sigi Raab zurück, berichten über die aktuelle Situation und geben einen Ausblick.
Alles begann mit einem Gespräch zwischen einer engagierten Ordensschwester und einem tatkräftigen Arzt: Die Caritas Socialis betrieb eine Fachschule für soziale Berufe in Wiener Neustadt. In der Wiener Märzstraße hatte die VKKJ (Verantwortung und Kompetenz für besondere Kinder und Jugendliche) ihr erstes Ambulatorium unter Leitung von Dozent Dr. Christoph Lesigang eröffnet. Die in der Wiener Neustädter Einrichtung der Caritas Socialis tätige Schwester Gertraud fragte Dr. Lesigang, ob eine Zusammenarbeit möglich wäre, was dieser bejahte. Hatte es doch schon zuvor zahlreiche Anfragen von Eltern zu einem vergleichbaren Angebot im Süden Wiens gegeben. Die Idee zu einem Ambulatorium für junge Menschen mit Behinderungen in Wiener Neustadt war damit geboren.
Vom improvisierten Beginn zur professionellen Einrichtung
Herrschte am Anfang noch ein improvisierter Betrieb vor, entwickelte sich daraus schon bald eine professionelle Einrichtung. Zwei LogopädInnen und zwei PhysiotherapeutInnen, eine Sekretärin sowie ein Psychologe und eine Musiktherapeutin in Teilzeit bildeten zu Beginn das Team vor Ort. Die ärztliche Leitung übernahm Dr. Lesigang und pendelte einmal wöchentlich von Wien nach Wiener Neustadt.
Dieser Betrieb auf „Sparflamme“ sollte sich rasch ändern, denn der Bedarf nach einer solchen Einrichtung war groß und das Team begann zu wachsen. Auch die Anzahl der behandelten Kinder und Jugendlichen vermehrte sich, 2004 waren es bereits über 600. In diesem Jahr wurde Prim. Dr. Markus Hartmann zum ärztlichen Leiter bestellt – und hat diese Funktion bis heute inne. „Manche Eltern von PatientInnen, die wir im Ambulatorium betreuen, waren hier selbst im Kindergarten und erzählen noch heute davon“, verweist der Arzt auf die gelebte Geschichte des Hauses.
Erweiterung zum 25-Jahr-Jubiläum
Der großen Nachfrage und dem wachsenden Angebot wurde mit einem Erweiterungsbau Rechnung getragen. Dieser wurde 2006 zum 25-Jahr-Jubiläum fertiggestellt. Für 2022 ist ein neuerlicher Umbau geplant. Ziel ist es, das Behandlungsangebot für die Kinder und Jugendlichen zu modernisieren und die Arbeitsbedingungen für die MitarbeiterInnen durch adäquate Räumlichkeiten zu verbessern.
Autismus-Spektrum-Störungen nehmen zu
„Wir beobachten, dass Autismus-Spektrum-Störungen bei unseren PatientInnen stark zunehmen. Diese Kinder, aber auch deren Familien, benötigen eine sehr intensive Betreuung, für die wir nicht ausreichend gerüstet sind“, berichtet Dr. Hartmann. Daher appelliert die VKKJ an die politischen Entscheidungsträger, eine Lösung herbeizuführen. Als Beispiel wird das Autismus-Therapiezentrum der VKKJ in Wien genannt. Dieses wurde in Kooperation mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und dem Fonds Soziales Wien (FSW) eingerichtet.
Weiteres Ziel ist es, eine medizinisch-therapeutische Versorgung für PatientInnen über 18 Jahre zu schaffen. Zwar gibt es mit dem direkt neben dem Ambulatorium befindlichen Tageszentrum Kreativ der VKKJ eine sehr bewährte Betreuungseinrichtung für diese Altersgruppe. Diese ersetzt jedoch nicht die klinische Behandlung, wofür aus Sicht der VKKJ eine eigene Einrichtung erforderlich ist.
Hinaus in die Natur mit den Outdoor-Therapiegruppen
Aktuell werden im Ambulatorium Wiener Neustadt der VKKJ jährlich rund 900 Kinder und Jugendliche medizinisch-therapeutisch versorgt. Neben dem üblichen multidisziplinären Therapieangebot der Ambulatorien gibt es im Ambulatorium Wr. Neustadt auch tiergestützte Therapie mit dem Pferd und Outdoor-Therapiegruppen.
„Die Gruppenaktivitäten im Freien hat es auch früher schon gegeben, sie sind aber stark angewachsen. Es ist sehr wichtig, von der künstlichen Therapiesituation im Ambulatorium hinaus in den Alltag und in die Natur zu kommen“, berichtet Dr. Hartmann.
Musiktherapie ist viel mehr als nur Musik
Zum breiten Angebotsspektrum gehört auch die Musiktherapie. „Dabei geht es um viel mehr als nur Musik. Sie ist eine Unterstützung für die Kinder, um ihre Probleme darzustellen und zu bearbeiten“, weiß Musiktherapeutin Sigi Raab. Seit 1992 im Ambulatorium tätig, ist auch sie Zeugin eines stetigen Wachstums und wechselnder Herausforderungen.
Was gleich geblieben ist: „Das Haus hat eine spezielle Atmosphäre. Die Kinder fühlen sich hier wohl, sie glauben, dass wir hier wohnen. Ganz besonders schätze ich auch die kollegiale Zusammenarbeit“, resümiert Sigi Raab.