Das Tageszentrum Kreativ in Wiener Neustadt betreut erwachsene Menschen mit Behinderung. Einer davon ist Franz Wenzel. Seit rund 35 Jahren ist er zufriedener Klient unserer Einrichtung. Für den VKKJ-Jahresbericht hat er einen sehr persönlichen Beitrag geschrieben, den wir mit der Zustimmung des Autors auch in unserem VKKJ Aktiv-Blog veröffentlichen. Erfahren Sie, was Franz Wenzel im Tageszentrum Kreativ bisher erlebt hat und welche Erfolge in Hinblick auf seine Selbständigkeit er hier schon feiern durfte.

Hallo, hier ist Franz und ich möchte euch heute von meinem Werdegang, von meinem Wirken, eigentlich von meinem ganzen Leben im Tageszentrum erzählen. Schon bald nach der Schule kam ich mit etwa 18 Jahren ins Tageszentrum.  Dieses bestand damals noch aus wenigen Leuten. Wir waren eine Gruppe aus etwa 10 Personen und 3 BetreuerInnen.

Es gab einen großen Gruppenraum, eine kleine Küche und ein Büro. Wir hatten sogar einen Ruheraum. Im ersten Stock befand sich ein Kindergarten, und ich habe manchmal für die Kinder oben den Nikolo gespielt. Das hat mir große Freude gemacht, und die Kinder hatten auch ihren Spaß dabei.

Jahre später zog der Kindergarten aus, und wir sind mit unserem Tageszentrum bereits mit drei Gruppen in den ersten Stock übersiedelt, während unten im Erdgeschoss eine Gruppe verblieb. 2010/2011 gab es dann den großen Um- und Ausbau zu dem Tageszentrum, wie wir es heute kennen: 5 Gruppen, 40 Klienten, 11 BetreuerInnen, eine Chefin!

Erinnerungen an gemeinsame Aktivitäten

Aus den ersten Tagen erinnere ich mich noch besonders an Herbert, er war mein Freund, sowie an Gabi, Werner, Helmut, Michaela, Josef und Sabine, die, wie ich selbst auch, noch heute hier ihre Tage verbringt.

Wir waren damals viel spazieren, haben Puzzle gelegt, haben viele Spiele gespielt, und manchmal waren wir sogar gemeinsam auf Urlaub. Wir waren in Kärnten, haben Minimundus besucht, wir waren am Neusiedler See, in Oberösterreich und einmal auch in Graz. An den Urlauben sind mir besonders die schönen Spaziergänge in Erinnerung und die Nachmittage, an denen wir Eis essen waren. Manchmal sind wir sogar irgendwo auf eine Jause eingekehrt und einmal – ich weiß es noch heute – gab es für einige von uns am Abend einen kleinen Schluck Bier! Es waren herrliche Tage mit lauen Nächten, die wir alle in fröhlicher Unbeschwertheit verbracht haben, bevor es mit den eigenen Bussen aus dem Tageszentrum wieder nach Hause ging.

Ein selbständiges Leben führen

Von den BetreuerInnen im Tageszentrum habe ich viel gelernt, um ein selbstständiges Leben zu führen. Alltägliche Arbeiten wie Kochen, Küchendienst, Putzen, Wäsche waschen, sowie allerlei Gartenarbeiten, wie Graben und Rasenmähen und Kompostieren, Pflanzen ein- und umsetzen. Der Garten im Tageszentrum hatte ein Glashaus, eine Gartenhütte, sogar einen kleinen Teich mit Fischen. Wir haben als KlientInnen gemeinsam mit den BetreuerInnen alles selbst angelegt und auch gepflegt.

Hermann, ein Betreuer seit den ersten Stunden des Tageszentrums – er ging letztes Jahr in Pension – , war aus ganzem Herzen ein Biogärtner. Er pflanzte und pflegte die Gewächse nach einem kleinen Mondkalender, den er stets bei sich trug.

Ich habe von ihm gelernt, den Kompost so zu pflegen, dass wir damit den Rasen, aber auch die Pflanzen biogerecht düngen konnten. Wir haben auch gemeinsam von gesammelten Tomatensamen bis zur Tomatensauce alles selbst hergestellt.

Holzarbeit, Schach, Geschenke fertigen und Theater spielen

Schauspiel Accessoires

Von Hermann habe ich auch die Liebe zur Holzarbeit übernommen. Gemeinsam gestalteten wir Nistkästen für Vögel, einen Schemel und viele andere kreative Gegenstände. Bis heute habe ich viel Freude an Holzarbeiten aller Arten. Außerdem hat mir Hermann Schach beigebracht. Bis zum heutigen Tag freue ich mich über jeden Besucher und jede Besucherin, der/die mit mir die eine oder andere Partie Schach spielt.

Von Karin habe ich die Leidenschaft für Specksteine angenommen. Es macht mir großen Spaß, aus meinen Werken kleine Geschenke zu machen, weil ich meinen Mitmenschen sehr gerne eine Freude bereite.

Ganz besonderen Spaß habe ich beim Theater spielen. Zu Weihnachten war ich bei unseren Aufführungen mal ein Baum, eine Kuh und auch einmal ein Esel.

Auftritte beim Sommerfest

Franz beim Sommerfest 2016

Aber so richtig ausleben kann ich mich jedes Jahr bei unseren Sommerfesten. Ich liebe es, in verschiedene Rollen zu schlüpfen und Lieder von Falco oder Udo Jürgens zu singen. Ich war auch schon mal der Schweinebauer, Marilyn Monroe und der Gogola, der seine Hühner beisammenhält. Natürlich bauen und bemalen wir dafür auch die Kulissen selbst, und immer wieder werden dazu meine handwerklichen Fähigkeiten gebraucht.

Wie gerne ich jedoch jeden Tag ins Tageszentrum gehe, wie sehr ich jeden Tag schätze, hat mir aber erst Corona beigebracht. Anfangs habe ich mich sehr über den Lockdown gefreut. Endlich Ruhe, endlich mal länger daheim. Wie Urlaub. Ich konnte daheim auch viele kleine Arbeiten erledigen, die schon länger liegen geblieben sind. Aber schon nach etwa 2 oder 3 Wochen ist mir regelrecht die Decke auf den Kopf gefallen. Ich habe sogar die Leute und die Aufgaben, die mich manches Mal auf die Palme bringen, vermisst. Ich habe durch Corona gelernt, dass man erst Dinge so richtig schätzt, wenn man sie nicht mehr hat.

Zum Interessensvertreter gewählt

In jüngster Zeit wurde ich von unseren KlientInnen zum Interessensvertreter gewählt. Ich konnte kaum glauben, dass ich diese Wahl gewonnen habe, und ich werde mein neues Amt, so gut ich kann, ausführen. Ich habe eine Box gebastelt, in welche meine KollegInnen ihre Wünsche jeden Tag anonym einwerfen können. Das ist bisher noch nicht passiert, und so frage ich einmal im Monat bei einem Morgenkreis, wo alle zusammenkommen, nach ihren speziellen Anliegen. Tatsächlich kam zuletzt eine tolle Liste mit Vorschlägen zu Ausflugszielen zustande. Ich werde sie an unsere Chefin weiterleiten und die jeweiligen Betreuer bitten, die näheren Details in die Wege zu leiten.

Teilnahme am Kreativwettbewerb für Menschen mit Behinderung

Bei dem 21. Kreativwettbewerb für Menschen mit Behinderung, welcher vom Hilfswerk veranstaltet wird, nehme ich heuer auch teil. Das vorgegebene Thema „Traum“ hat mich dazu inspiriert, einen ganz besonderen Traumfänger zu bauen. Da ich nämlich selbst bestimmen kann, welche Materialien ich verwende, habe ich mich dazu entschieden, einen sechseckigen Traumfänger nur aus vorhandenen Materialien zu basteln. In Frage kommen also meine Lieblingsmaterialien wie Holz, Specksteine und Schnüre. Ein Upcycling-Projekt sozusagen.  Ich baue das ganz alleine, und auch alle Ideen habe ich ganz alleine ausgebrütet.

Nur Auto fahren kann ich noch immer nicht. Das erlauben die Betreuer nicht! 😉

Trotzdem koche ich jeden Tag in der Früh eine Kanne Kaffee für uns alle, damit wir alle frisch und munter in einen neuen, spannenden Tag starten können. Ohne Kaffee geht halt einfach gar nichts.


Fotos: VKKJ