Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) sind Entwicklungsstörungen, die in der Regel bereits im frühkindlichen Alter erkennbar sind. Betroffene haben meist ein reduziertes Interesse an sozialen Kontakten. Oft liegen auch sprachliche Einschränkungen oder Besonderheiten vor. Die Erkrankung ist nicht heilbar, gezielte Frühförderung kann jedoch Verbesserungen bringen.Mag.a Birgit Günther, Heil- und Sonderpädagogin im Ambulatorium Amstetten der VKKJ, hat sich auf die Förderung von Kindern mit Wahrnehmungsproblemen und Autismus-Spektrum-Störungen spezialisiert. In diesem Blog-Beitrag berichten wir über ihre Erfahrungen:

 

Spektrum bedeutet „Vielfalt“

„Autismus-Spektrum“ beinhaltet das Wort Spektrum. Das bedeutet „Vielfalt“. Genauso vielfältig können die Symptome bei dieser Diagnose sein. Daher ist eine individuell abgestimmte Therapie sehr wichtig.

Je nach Schweregrad der Entwicklungsstörung und den kognitiven Fertigkeiten des Kindes sind unterschiedliche Therapieansätze notwendig. Auch die intensive Mitbetreuung der Eltern sowie Schule oder Kindergarten sind ausschlaggebend für den Behandlungserfolg.

In ihren Therapieeinheiten wendet Birgit Günther im Wesentlichen drei Methoden an, die sie miteinander kombiniert und auf das jeweilige Kind individuell abstimmt. Eine davon ist das „Early Start Denver Model“ (EMDS), das wir hier vorstellen.

Das Early Start Denver Model

Dabei handelt es sich um ein ganzheitliches Interventions- und Frühförderprogramm für Säuglinge und Kleinkinder mit Autismus. Die Methode berücksichtigt sämtliche Aspekte der kindlichen Entwicklung. Die Altersspanne liegt zwischen zwölf und 60 Monaten. Entscheidend für den Erfolg ist eine möglichst frühe Diagnose. Denn auf ihr baut die Förderung auf, die ebenfalls so früh wie möglich starten soll.

Damit werden gute Voraussetzungen für die weitere Entwicklung des Kindes geschaffen. Vor allem geht es dabei um den Aufbau von Basisfertigkeiten in den Bereichen Interaktion und Kommunikation.

Spielmaterialien als Verstärker

Wie zu anderen Methoden auch gehört zu ESDM das operante Lernen. Das heißt, hier wird erwünschtes Verhalten durch Belohnung verstärkt. Diese „Verstärker“ sind Spielmaterialien, die für Kinder mit Autismus besonders reizvoll sind. Das können beispielsweise Seifenblasen, Trödelspiele, Murmelbahnen und anderes mehr sein.

Begonnen wird mit der Bestimmung des aktuellen Entwicklungsstandes. Darauf aufbauend werden die Förderziele festgelegt. Dabei orientiert sich ESDM an der gesunden kindlichen Entwicklung u. a. in Bereichen wie Kommunikation, Spielverhalten, sozialen Fertigkeiten sowie Grob- und Feinmotorik.

Jedes Kind erhält ein individuell ausgearbeitetes Interventionsprogramm. In der Therapie kommen gezielte Spielaktivitäten und Materialien zum Einsatz. Ein Mittel zur Verstärkung kann auch die Belohnungstafel sein. Hier wird mit Hilfe eines „Token-System“ (Münz-Verstärkungssystem) gearbeitet, wie die folgende Abbildung zeigt:

Entscheidend ist, dass den Interessen des Kindes während sämtlichen Aktivitäten gefolgt wird. Die Ziele werden im regelmäßigen Austausch mit den Eltern besprochen und neu angepasst.

So wirkt ESDM

Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben die Wirksamkeit des ESDM in mehreren englischsprachigen Ländern nachgewiesen. Die intensive Frühförderung ab einem Alter von zwölf Monaten führt in den Studien zu deutlichen Verbesserungen in Bereichen wie Kognition, Alltags- und Kommunikationsfertigkeiten.

Zusammenfassend sagt Birgit Günther:
„Das Schöne an meiner Arbeit ist es, wenn ich nach kurzer Zeit Erfolge sehe, die Kinder einen Weg gefunden haben, mit der Umwelt in Kontakt zu treten, egal wie, sei es mit Bildern, Gebärden oder Kommunikationshilfen wie I -Pad. Einige Kinder finden sogar zur Sprache. Das ist dann besonders toll, wenn die Bedürfnisse plötzlich verbal mitgeteilt werden können.“

 

Mag.a Birgit Günther arbeitet seit 2017 als Heil- und Sonderpädagogin im Ambulatorium Amstetten. Ihr Schwerpunkt liegt in der Förderung von Kindern mit Wahrnehmungsproblemen und Autismus-Spektrum-Störungen.