Die beiden Pudel Lola und Floki gehören seit 2019 zum Team im Ambulatorium Liesing. Es handelt sich dabei um speziell für die tiergestützte Therapie ausgebildete Vierbeiner. Eingesetzt werden sie in den sogenannten „Hunde-Gruppen“. Was Mensch und Tier dabei erleben und warum diese therapeutische Methode eingesetzt wird, berichten Ergotherapeutin Melanie Prinz und Psychotherapeutin Mag.a Sabine-Zauner-Karpischek.
Es ist wieder Mittwoch. Kurz vor 9 Uhr ist im Ambulatorium Liesing einiges in Bewegung, bevor die wöchentliche Teamsitzung beginnt: Der Computer wird für das Protokoll gestartet, die Ärztin sucht Akten zusammen, der/die ModeratorIn versucht, sich einen Überblick über die Themen der Besprechung zu verschaffen. Kaffeeduft liegt in der Luft, die Maschine surrt im Dauermodus, der Wasserkocher dampft, Geschirrgeklapper, Stimmengewirr: „Guten Morgen, ich bin gleich da, ich muss nur noch …“ „Weiß jemand wo der Bericht XY ist?“ „Hallo, Floki, hast du schon ein Leckerli bekommen?“ „Wo ist das Balli, Lola?“ „Wuff, wuff, hallo!“ Unsere beiden Wuschel-Pudel werden selbstverständlich und freundlich begrüßt wie alle anderen KollegInnen auch. Sie gehören schließlich seit 2019 fix dazu. Mittwoch ist Hundetag – es findet nachmittags die Tiergestützte Therapie statt.
Der Vormittag ist für die Hunde recht gemütlich, sie liegen die meiste Zeit unter dem Tisch, während die Köpfe der Zweibeiner rauchen, die Seelen derselben aber hoffentlich gelassen bleiben. So besagen zumindest etliche Studien, dass der Kontakt zu Tieren – und da genügen alleine schon das Beobachten bzw. die Anwesenheit der Hunde – messbar den Level an Stress-Reaktionen senkt. Das ist ein schöner Nebeneffekt für uns!
Hunde-Gruppen finden regelmäßig statt
Berichten wollen wir hier im Besonderen von den regelmäßig stattfindenden Hunde-Gruppen. Das Angebot richtet sich an PatientInnen im Ambulatorium Liesing im Alter zwischen 13 und 30 Jahren, wobei wir vor allem sehr zurückhaltende, im Kontakt mit anderen unsicheren Menschen ansprechen wollen. Sie können von der Begegnung mit den Tieren sehr profitieren – vorausgesetzt sie mögen Hunde und sie sind bereit, sich trotz ihrer sozialen Ängste auf eine kleine Gruppe einzulassen.
Deshalb beginnt bei uns der therapeutische Prozess schon vor dem eigentlichen Gruppengeschehen in ein bis zwei Schnupperstunden im Einzelkontakt, sowie einer Schnupper-Gruppen-Stunde. Erst dann wird gemeinsam entschieden, ob die Teilnahme fix sein soll. Dieses Procedere ist nicht nur für die PatientInnen von Vorteil, sondern auch für Lola und Floki, deren Belastbarkeit gut überlegt sein muss.
In der Ausbildung der Therapie-Hunde wird großes Augenmerk daraufgelegt, erkennen zu können, wann die Tiere Stressreaktionen zeigen und wie damit umzugehen ist. In der Praxis heißt das, das Wohl der Tiere immer im Blick zu haben – eine Achtsamkeit, die erfreulicherweise im Lauf des Semesters dann auch immer öfter von den PatientInnen übernommen wird.
„Und was macht der Hund dann in der Therapie?“
Diese Frage hören wir oft – von Eltern, KollegInnen und FreundInnen. So klar das für uns scheint, ist dies eine Frage, der wir hier ein bisschen Raum widmen wollen.
Zunächst einmal möchten wir erwähnen, dass wir im Ambulatorium Liesing unterschiedliche Therapieangebote mit den Hunden haben. In unseren „Hundewochen“, die im Sommer als Projekt stattfinden, können sich die TeilnehmerInnen ganz intensiv mit dem Thema Hund und den jeweiligen therapeutischen Zielsetzungen befassen. Dafür ist ein Zeitrahmen von 2 Wochen vorgesehen, wobei wir uns in diesen 2 Wochen nur an jedem 2. Tag sehen – so haben die Hunde genügend Pausen und Erholung zwischen ihren Einsätzen.
Unsere wöchentlichen Gruppen laufen über das ganze Jahr. Einmal pro Woche treffen sich die TeilnehmerInnen im Ambulatorium für eine Stunde. Dabei bieten wir zwei unterschiedliche Gruppen an – je nach körperlicher und psychischer Verfassung gestaltet sich dann das Angebot.
Klare Abläufe in den Gruppen-Einheiten
Die Arbeit mit den KlientInnen und unseren Therapiehunden hat uns Eines deutlich gezeigt: Struktur und klare Abläufe sind die halbe Miete. In der Praxis bedeutet das, dass wir als Therapeutinnen den Ablauf der Einheiten genau planen. Über die Zeit hat sich folgender Ablauf gut bewährt: In jeder Einheit gibt es eine Begrüßung, eine Aktivität und eine Verabschiedung.
Der therapeutische Einsatz macht Lola und Floki äußerst viel Spaß. Unsere Aufgabe als Hundeführerinnen ist es, gut auf das Wohlbefinden der Vierbeiner zu achten. Je nach Tagesverfassung und Energielevel der Hunde muss trotz aller Struktur auch Platz für eine flexible Anpassung sein. Pausen und Ruhephasen sind einerseits fester Bestandteil in unserer Stundenplanung und andererseits spontan bei Bedarf einzuschieben. In diesen Pausen bemühen wir uns, den TeilnehmerInnen Wissen rund ums Thema Hund zu vermitteln: Was fressen Hunde eigentlich? Wieviel Bewegung braucht ein Hund und wie spielen Hunde miteinander? Was wollen uns Lola und Floki mit ihrer Körpersprache zeigen? Woran erkenne ich, ob sie freudig, müde oder ängstlich sind? Wie reagiere ich als Mensch auf die Bedürfnisse der Tiere?
Lola und Floki „locken“ TeilnehmerInnen
Die Hauptmotivation an der Gruppe oder tiergestützten Therapie teilzunehmen, liegt schon im Namen selbst: es ist meistens der Hund, der die TeilnehmerInnen ins Ambulatorium lockt. Dementsprechend ist es wichtig, dass die TeilnehmerInnen auch gleich zu Beginn für ihr Erscheinen entlohnt werden: Sie dürfen Platz nehmen und den direkten Kontakt zu den Hunden genießen.
Mittlerweile sind Lola und Floki schon so routiniert, dass sie standardmäßig beim Betreten des Therapieraumes den Sesselkreis von Person zu Person abgehen und sich bei jedem ein Leckerli abholen. Je nach Wunsch ist auch eine kurze Streicheleinheit drinnen. Da wir dieses therapeutische Angebot in der Gruppe anbieten, ist danach auch die Kontaktaufnahme zu den anderen Gruppenmitgliedern wichtig.
Mit Mimwürfel oder Stimmungsbildern kann jeder das eigene Befinden mitteilen, sich Raum nehmen und auch üben, anderen Platz zu lassen und aufmerksam zu warten. Während der „Menschenbegrüßung“ liegen Lola und Floki meist auf ihrem Platz oder sitzen erwartungsvoll neben uns. Denn sie wissen: Danach folgt Action. Und das lieben die beiden Vierbeiner ganz besonders.
Spaziergänge im Freien als „Challenge“
Bei Spaziergängen im Freien können die TeilnehmerInnen Lola und Floki selbst führen. Das klingt sehr simpel, ist in Wahrheit aber für jedes Hund-Mensch-Team eine Challenge: Körpersprache nutzen, Bewegungsabläufe aufeinander abstimmen, die Umgebung beobachten, den Hund im Blick haben, seine Bedürfnisse wahrnehmen, erkennen und darauf eingehen – und am Besten auch noch alles gleichzeitig!
Wenn sich die Anwesenden etwas kreativer einbringen wollen – oder sollen – und wir auch motorische Herausforderungen stellen möchten, bietet sich ein Hindernisparcour an. Dieser kann frei gestaltet oder nach vorgezeichnetem Plan aufgestellt werden. Bei diesen Übungen steht auch das Miteinander der TeilnehmerInnen im Fokus. Es geht darum, eine Reihenfolge zu besprechen, diese einzuhalten und sich mutig zu trauen, vor allen anderen aktiv zu werden: eine tolle Herausforderung.
Wenn es gelingt, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich der Aufgabe zu stellen, dann geht es natürlich auch noch darum, dass der Hund mitmacht und die Hindernisse so ausführt, wie das von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen gewünscht ist – das versteht sich von selbst.
Was haben Hund und Mensch gemeinsam?
Beide spielen in der Regel gerne. Deswegen dürfen auch Spiele in unseren Stunden nicht fehlen. Lola und Floki bewegen sich sehr gerne. Mindestens genauso gerne haben sie auch Herausforderungen, bei denen sie mit ihrem Köpfchen arbeiten müssen. Was wären das für Dinge? Zum Beispiel machen sie gerne Suchspiele. Leckerlis werden in Dosen/Ecken oder dem Gras versteckt und der Hund darf diese dann suchen.
Das ist eine kognitive Challenge für Mensch und Hund. Der Mensch ist gefragt, sich ein gutes und für die Hundenase erreichbares Versteck zu suchen. Dieses gilt es, sich auch selbst zu merken. Der Hund muss sich sehr gut konzentrieren, Lösungswege suchen und ggf. die Körpersprache des Menschen lesen, um Tipps zur Lösung der Aufgabe zu erhalten. Der Erfolg des Hundes macht der ganzen Gruppe Freude.
Bewusstes Abschiedsritual: Lola und Floki geben die Pfote
Alle Therapien sind für die PatientInnen immer auch beziehungsmäßig eine Herausforderung. Deshalb ist das bewusste Beenden der Therapie-Gruppe ein fixer Bestandteil unseres Konzepts. Am Ende der Hundestunde findet eine klar beschriebene Verabschiedung statt. In der Abschlussrunde können Wünsche für das nächste Treffen kundgetan werden und wir sammeln Fragen für den Wissensblock. Dann kommt das Schönste: Lola und Floki verabschieden sich höflich mit Pfote-Geben von den einzelnen TeilnehmerInnen, wobei natürlich noch ein letztes Leckerli abgeholt wird. „Auf Wiedersehen, gute Woche, bis zum nächsten Mal!“
Unsere therapeutische Arbeit ist nach der Gruppe noch nicht ganz zu Ende. Die Kaffeemaschine wird für den heutigen Tag ein letztes Mal in Betrieb genommen. Beim Wegräumen der Materialien besprechen wir unsere Eindrücke der vergangenen Stunden. Während die Hunde sich auf ihre Bettchen zurückziehen, die Ruhe genießen und sich entspannen, ordnen wir unsere Gedanken und notieren das Geschehen in der Dokumentation. Oft staunen wir über die Fortschritte unserer PatientInnen, die manchmal sogar über die gesteckten Therapieziele hinauswachsen.